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Friday August 03, 2007 23:32 by W
"Eure Politik ist zum Kotzen bourgeois"* Es gibt zwei Wege aus dem Kapitalismus, Revolution oder Tod. Jede/r der/die dir etwas anders sagt liegt ganz einfach falsch. Der subkulturelle Kult „Crimethinc“ (CWC) aus den USA, welcher Anarchismus mit einem bohemischen AussteigerInnen-Lebensstil und einer vagen Antizivilisationshaltung vermischt, will dir weismachen, dass Kapitalismus etwas ist, von dem du dich nur distanzieren kannst, indem du deine Arbeit aufgibst, aus Mülleimern isst und einfach tust was sich „gut anfühlt“. Sie tragen das Erbe des preisgekrönten Idioten Abbie Hoffman weiter, drucken Bücher und Zines, fetischisieren Betrug, Kleinkriminalität und sinnlose Aktivitäten der Punk-Subkultur, wie etwa Food Not Bombs, Squatten usw. Sie nennen sich AnarchistInnen, aber haben keinen Bezug zum Rest der anarchistischen Bewegung und keine Klassenanalyse. Lasst uns einen Blick in ihren geheimen Untergrund-„Anarchieclub“ riskieren.
Crimethinc behauptet, nicht zu existieren, aber dabei scheitert ihr Versuch mysteriös und poetisch zu sein. Wir müssen damit beginnen zu sagen, dass Crimethinc existiert, sie haben ein paar Adressen, eine Anzahl von Büchern im Druck und einen Online Shop sowie eine Anzahl von Websites. Sie sind eine lose Organisation, welche eine Vielzahl von politischen Sichtweisen repräsentiert – ein Mischmasch aus der Post-Linken, Situationismus, Primitivismus und all jenen „Einleitungs“-Philosophie Büchern, von denen du niemanden erzählst, dass du sie liest. Jede/r kann unter dem Namen und Logo publizieren und jede/r „Agent“ oder Gruppe operiert individuell. Es gibt keine formelle Struktur, Mitgliedschaft oder Entscheidungsprozess. Man muss sich wundern, ob es so dezentralisiert ist, wie sie behaupten. Während sich jene Hunderte von Kids, die ins Forum schreiben, als ein Teil von Crimethinc bezeichnen können gibt es in Wirklichkeit nur eine Entscheidungsgruppe von 20 Leuten oder weniger, die das Vergnügen haben unter dem CWC Titel zu publizieren und welche die ganze Show lenken. Sich selbst als „Crimethincer“ zu bezeichnen gibt dir die Illusion, dass du ein Teil von etwas Großem bist, das ist sehr wichtig wenn du ein gelangweilter Vorstadtteenager bist ist und die gut illustrierten Publikationen und leidenschaftlichen Zeilen in ihren Texten sind inspirierend zu lesen. Das Problem ist allerdings, dass du, sobald du sie kritisch analysierst, schnell bemerkst, dass sie eigentlich fast nichts aussagen. Viele Aspekte von Crimethinc leiten sich von der Situationistischen Internationalen ab und ein Großteil ihrer Ideen basiert auf dem Konzept der “Transformation des alltäglichen Lebens” der Situationisten. Die Situationisten waren sehr von Marx beeinflusst und es scheint so, dass Crimethinc sehr von der amerikanischen Konsumkultur beeinflusst ist. Der Aufruf, das alltägliche Leben zu verändern ist ein Aufruf, das aktuelle ausbeuterische System zu zerstören, sich im Klassenkampf, einem historischen Konflikt zwischen dem Proletariat und der herrschenden Klasse, zu engagieren. Crimethinc substituiert diesen Klassenkampf mit einer individualistischen Teenagerrebellion, die darauf basiert jetzt Spaß zu haben. Stehlen, aus Mülleimern zu essen, die Arbeit aufzugeben werden als revolutionäre Wege dargestellt, um außerhalb des Systems zu leben, aber sie führen zu nicht viel mehr als einem parasitären Lebensstil, welcher vom Kapitalismus abhängig ist ohne für irgendeinen wahren Wandel zu sorgen. Die Arroganz von Mittelklasse-Kids (genau wie den Hippies), die behaupten die Welt zu verändern, wenn sie für ein paar Jahre als anspruchslose „arme“ Menschen leben, zeigt sich perfekt in dem Zitat auf der Rückseite ihres Buches Evasion: "Armut, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit – wenn du keinen Spaß dabei hast, dann machst du es nicht richtig!” Herablassender, privilegierter Mitteklasse-Blödsinn. Die einzigen Leute, die glauben können, dass Armut in nur irgendeiner Weise spaßig ist sind wohlhabende Kids, die für ein paar Jahre arm zu sein spielen. Die tägliche Realität von Armut, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit für den Durchschnittsmenschen ist sehr ernst und etwas, gegen das AnarchistInnen organisieren und sich nicht darüber lächerlich machen sollten. Die Realität der Situation ist, dass du dich nicht aus dem Kapitalismus heraus boykottieren kannst. Aussteigen aus dem System wird es nie zerstören, wenn dann bekräftigst du dieses System nur dadurch, indem du Menschen von deren Entfremdung und deren Wunsch nach Revolution „heilst“, in dem du ihnen einen neuen Lebensstil innerhalb desselben Systems verkaufst. Kapitalismus ist ein System des Zwangs und der Kontrolle, wir arbeiten nicht um das System zu unterstützen, wir arbeiten weil wir Nahrung und Unterkunft und medizinische Versorgung brauchen und der einzige Weg, das innerhalb eines kapitalistischen Systems zu bekommen ist mit Geld. Der einzige Weg, wie wir Geld bekommen können ist unsere Arbeit zu verkaufen – die Alternative ist zu verrotten, das ist Kapitalismus. Ich will meine Kinder nicht aus einem Mülleimer heraus versorgen oder mir freie medizinische Versorgung erklauen wenn ich Krebs bekomme, das ist weder ansprechend noch praktisch. Es ist überhaupt nicht revolutionär wenn du dein weißes, westliches Mittelklasse-Privileg benutzt, dich aus dem System zu entfernen auf Kosten jener, die darin gefangen sind. Keiner von uns ist frei, solange wir es nicht alle sind. Diese Verherrlichung des Landstreichers/der Landstreicherin und des Betrügers/der Betrügerin als eine Art revolutionäre Taktik ist der Grund warum ihre AnhängerInnen, und sie sind wirklich AnhängerInnen, die nicht viel zu sagen haben, wenn es um die Aufrechterhaltung der Homepage und des Shops geht – die informelle Organisationsstruktur “wir sind alle Crimethinc” trägt dazu bei – vor allem gelangweilte Teenager sind. Ein kurzer Besuch auf crimethinc.net wird dir das bestätigen. Was am meisten beunruhigt ist das „Wir gegen die Welt“ Denken, welches die meisten dieser Jugendlichen haben. Viele sehen Menschen, die regelmäßig arbeiten als Feinde, die mit dem kapitalistischen System zusammenarbeiten, ein System, welches sie nicht wirklich verstehen und welches in der Crimethinc Literatur nie wirklich erklärt wird. Sie haben eine peinlich liberale Interpretation von Kapital und dem Kampf dagegen, "Mit eurer “unterstützt die Arbeiterklasse” Logik, glaube ich, dass ihr euch alle dafür schämen solltet, wenn ihr eine multinationale Korporation wie Wal-Mart boykottiert – denn diese haben ja auch Angestellte der “Arbeiterklasse”, die dort arbeiten" – DizzIE In diesem Zitat aus einem Streit TouristInnen zu berauben (oder Neokolonialisten, wie diese bizarrerweise von manchen genannt werden) zeigt eine Crimethincerin das gefährliche Fehlverständnis des Klassenkampfs auf. Der Boykott von Multinationalen, ähnlich wie der AussteigerInnen-Lebensstil, werden wenig dazu beitragen, den Kapitalismus, der eine soziale Beziehung basierend auf Lohnarbeit ist, zu zerstören. Ich will sie nicht davon abhalten, AussteigerInnen zu sein und aus Mülleimern zu leben so lange sie merken, dass sie nichts verändern werden wenn sie so leben. Ein aufgeblähtes Selbstbewusstsein hat sie davon überzeugt, dass ihr eingeschlagener Weg der Richtige ist und dass alle anderen einer Gehirnwäsche unterzogen wurden oder revolutionäre BürokratInnen sind. Eine der aktuelleren Publikationen von Crimethinc "recipes for disaster: an anarchist cookbook" (Rezepte für ein Desaster: ein anarchistisches Kochbuch) ist ein Indiz für die massiven Probleme, die sie haben. Das Buch ist eine mehr oder weniger interessante Auflistung von Streichen, Betrügen und Informationen für AktivistInnen. Als Nachfolger von "Days of war, Nights of love" (Tage des Krieges, Nächte der Liebe) angekündigt weißt dieses Buch viele ernste Mängel vor. Die Rezepte (die nicht viel mehr als DIY – do it yourself – mach es selbst - Richtlinien sind) reichen von wie man einen Black Bloc (Schwarzen Block) organisiert bis zu Gynäkologie, Squatten und „wie man ein Fahrrad in eine Stereoanlage verwandelt“. Eine ausgewählte Mischung an Information, das meiste von dem ist einfach nur Blödsinn und der Rest ist ohne ein politisches Verständnis bedeutungslos. Dies war als Praxis vorgesehen, wo „Days of war“ als Theorie galt, aber leider hatte es keine wirkliche Theorie außer jene AussteigerInnenmentalität und das zu tun, was sich gut anfühlt. Einen Black Bloc aus einem Handbuch heraus zu organisieren ohne die sozialen Bedingungen zu verstehen, die eine militante direkte anarchistische Organisation der Massen notwendig machen, ist nicht nur gefährlich sondern auch für unsere gesamte Bewegung kontraproduktiv. Das Buch drückt sich davor, seriöse revolutionäre Informationen zu geben, etwa wie man eine Gewerkschaft am Arbeitsplatz organisiert, wie man sich in der Schule organisieren könnte, wie man Kontakte zu Gemeinden, die gegen Ungerechtigkeiten ankämpfen, herstellt und mit ihnen zusammenarbeitet, wie man aus dem Aktivistenghetto ausbricht, wie man ein soziales Zentrum aufstellt, wie man Gefangene oder Asylsuchende unterstützt etc. All die Aktivitäten führen zu wenig mehr als Aktivistenbeschäftigung, etwas, mit dem man die Zeit totschlagen kann, während man ein Aussteiger/eine Aussteigerin ist, das soziale Bewusstsein zu erleichtern und keine harte Arbeit machen zu müssen oder sich zu beschränken indem man mit Menschen zusammenarbeitet die Komplizen des Systems sind. Der Antifaschistische Aktionsführer ist gut gemeint aber erbärmlich, es führt zu ein paar Jugendlichen, die sich maskieren und ihre Frustration an der Polizei auslassen bevor sie davonlaufen. Das ist ein typisches Element im ganzen Buch, diese Dinge sind aufgelistet, weil sie aufregend und gefährlich sind und weil sie sich „gut anfühlen“, nicht weil sie effektive Formen revolutionärer Organisation sind. Ramor Ryans Buchbesprechung von Days of War trifft den Nagel auf den Kopf und braucht keiner weiteren Erklärung. DOW ist massiv plagiarisiert, voll von ungenauen und beleidigenden Berichten der radikalen Geschichte und neigt dazu Dinge in sehr einfachen Begriffen wie gut und schlecht zu definieren, ohne jegliche fundierte Ideen, die ihre Behauptungen unterstützen könnten. "Text, Ideen und Graphiken sind von Stoke-Newington´s Fanzine Vague, vom britischen Graphik-Künstler Clifford Harper, vom französischen Situationisten Raoul Vaneigem und überhaupt aus dem ganzen situationistischen Pantheon geliehen und gestohlen. Sie plündern die Archive radikaler Subkulturen, um Unwahrheiten, wie das Hauptprinzip dieses Buches, dass es ein Instrument zur “totalen Befreiung” sei, zusammenzusetzen. In Wahrheit wächst Crimethinc´s Vision nicht über jene eines rebellierenden Vorstadtteenagers hinaus. Gefangen in der Punkrock und Crust Subkultur wird die praktische Anwendung all dieser revolutionärer Theorien realisiert, indem Musikgruppen gegründet werden, in einem Park gefickt wird, man sich vegan ernährt oder – oh mein Gott jetzt zeigen wir es ihnen aber wirklich! –gefälschte Freitickets im lokalen Kino ausgegeben werden. Es wird einem schnell klar, dass der wahre kriminelle Akt hier die Plünderung einiger der feinsten und lebendigsten Ideen am Ende des 20. Jahrhunderts ist und dass diese abgestumpft und unklar wiedergegeben werden." – Ramor Ryan Als Tausende französische Studierende vor kurzem ihre Universitäten besetzten und ihre Städte demolierten als Opposition gegen die Einführung des CPE Gesetzes sagte ein Crimethincer folgendes über die organisierten Studierenden: "Als ich mir die Situation in Frankreich anschaute dachte ich mir oft, dass sie nicht genug dumpster diver [„Mülltaucher,“ im Deutschen auch als „Containern“ bezeichnet, ein Begriff der von Crimethinc dazu verwendet wird Menschen, die freiwillig aus Mülleimern essen als hipp zu bezeichnen, Anm. d. Übers.] Kollektive hatten!" Welchen Sinn oder Relevanz jener Person zu Folge ein Dumpster Diving Kollektiv hat, um einer radikalen Massenbewegung zu dienen, außer dadurch alte Sandwiches zu bekommen, die sowieso gestohlen werden könnten, ist mir unklar. Wenn Massenkämpfe entstehen sind die Argumente von Crimethinc natürlich sehr schwach, Massenkämpfe bedeutet mit Langweilern zusammenzuarbeiten und ArbeiterInnen zu erlauben, Teil ihrer revolutionären Subkultur zu werden, was einfach nicht akzeptabel wäre. Das Buch „Co-Conspirators: DIY Von Anarchie und Dinosauriern“, das von Crimethinc unter dem Furious George Kollektiv (die alle eine Kugel für kriminelle Akte gegen Anarchismus verdienen) publiziert wurde ist kurz und schlecht geschrieben und argumentiert gegen die Idee einer Massenorganisation und für „Chaos“ und „Schmetterlingsflügel“, so scheint es. “Volksanarchie ist der Name, den wir dem Pfeil gegeben haben, der auf das Herz eines jeden Dinosauriers gerichtet ist. Wir ersetzen die Massenbewegung mit einer fragmentierten Vielheit aus Meuterern, Zigeunern, wuchernden Buden, Dieben der Nacht und verrückten Wissenschaftlern” Der Mangel an jeglicher kritischer Analyse und dem Fokus auf Spontaneität sind ernste Unzulänglichkeiten von Crimethinc, welche mich dazu verleiten zu glauben, dass sie nicht an die Revolution glauben und dass sie ziemlich wahrscheinlich glückliche Kids sind, die am “Rande” des Kapitalismus leben, einem System, dessen Exzess ihren Aussteigerlebensstil ohnehin unterstützt. Das würde erklären, warum Crimethinc keine Theorie für eine Revolution hat, oder wie man auf den Umsturz dieses Systems hinarbeitet und wie man sicher geht, dass wir wenn wir es geschafft haben diese Gewinne auch erhalten können, wie man eine post-revolutionäre Welt organisiert, so dass wir nicht die Fehler des CNT und anderer historischer Vorgänger wiederholen. Eine spontane Revolution gibt der ArbeiterInnenklasse nicht die Mittel sich gegen Reaktionäre und StaatssozialistInnen zu verteidigen. Crimethinc ruft zu einer Revolution im täglichen Lebensstil und nicht im Leben auf, sie versuchen eine Subkultur aus IndividualistInnen zu definieren, die sich nur um sich selbst und dem engen Kreis um sich herum kümmern. Eine Revolution aus unruhigen und verwöhnten Mittelklasse AmerikanerInnen, die ArbeiterInnen und organisierte AnarchistInnen verachten, weil sie in ihnen die größte Gefahr für ihren bourgeoisen Lebensstil sehen. Die vermeintlich selbst-kritische Analyse in Crimethinc´s 10-Jahres-Bericht berührte die gerade aufgelisteten Fehler nicht. Vielleicht ist das etwas, was diese Kids jetzt adressieren und hoffentlich tragen andere AnarchistInnen zu dieser Debatte bei. Ich habe ein paar Jahre damit verbracht, unkritisch Crimethinc Rhetorik zu versprühen und Zeit mit ihren ineffizienten Taktiken zu vergeuden und ich möchte keine weitere Generation sehen, die zum Narren gehalten wird. Ich möchte alle GenossInnen dazu aufrufen, die einfachen Lösungen, die von CWC vermarktet werden, zu bedenken. Die Welt kann nicht warten, wenn ernstzunehmende RevolutionärInnen von schlechten Ideen und noch schlechteren Taktiken abgelenkt werden.
“Unsere gemäßigsten Forderungen sind – Wir wollen nur die Erde!”
Verwandte Links: * Der Originaltitel „Your politics are bourgeois as fuck“ ist eine Antwort auf einen Text von Crimethinc mit dem Titel „Your politics are boring as fuck“, indem sich Crimethinc explizit gegen Anarchokommunismus wendet. Dieser Text wurde so weit wie möglich in einer gender-gerechten Sprache aus dem englischen Original ins Deutsche übersetzt (ohne jedoch das umstrittene Wörtchen „man“ zu verändern). |
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Comments (10 of 10)
Jump To Comment: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Ich stimme im Großen und Ganzem mit dem Autor/der Autorin überein. Allerdings finde ich manche Ansätze von Crimethinc in der Hinsicht gut, wenn sie anderen Menschen helfen wollen. Food Not Bombs oder Squatten wären gute Ideen, wenn sie sich nicht nur auf Individuen innerhalb der Punk Subkultur beschränken würde. Food Not Bombs an arme Menschen zu verteilen oder Menschen, die in unmenschlichen Gegenden wohnen zum Squatten zu überreden, das wären gute Strategien. Auch die vegane Ernährung halte ich für gut, allerdings sollte man sich nicht nur so ernähren, sondern auch mehr zum Weltgeschehen beitragen.
Im Grunde ist Crimethinc jedoch nur eine individualistische Lifestyle Idee, die die Welt nicht verändern will, sondern nur einzelne Individuen. Wie im Text jedoch erwähnt wird können wir nie wirklich frei leben, wenn andere Menschen unfrei sind. Das heißt, als Menschen sind wir sozialen Wesen, von sozialen Strukturen beeinflusst, ob wir es wollen oder nicht. Wenn wir nicht darauf hin arbeiten, die Strukturen zu verändern wird unser Squat von einem Tag auf den nächsten mit Polizeigewalt aufgelöst usw. Autonome Zonen sind gut, aber sind sie wirklich so autonom wenn rings um sie herum noch das alte kapitalistische System herrscht?
Allerdings zeigt Crimethinc einen Weg auf, das kapitalistische System zu umgehen und dadurch weniger dazu beizutragen. Wie im Text jedoch erwähnt wird ist Boykott allein nicht die Lösung. Vielmehr müssen Menschen so organisiert werden, dass sie sich erfolgreich und bleibend von ihren Chefs lösen und so „Fair Trade“ Organisationen aufbauen, die auf Selbstorganisation beruhen.
Das Zitat mit den Dinosauriern erinnert mich eher an einen Harry Potter Roman als an anarchistische Literatur. Anarchismus ist nichts Romantisches oder Mystisches, es ist etwas, das früher als später eine Notwendigkeit werden muss.
The original English version of this article here:
james conolly hält mir den "zwang zur arbeit" zu hoch und redet daher wie meine nachbanr, die auch immer sagen, um geld zu verdienen, muß mensch seine arbeitskraft verkaufen und kommen dann auch mit dem argument "meine kinder sollen nicht aus mülltonnen leben" würg....
was "crimethnic", mit denen ich auch grosse kontroversen im alltag habe, durchaus positiv rüberbringt, ist der alltag jenseits von geld und "zwangsarbeit", wo gerade wir anarchistinnen eigentlich immer eine starke basis mit-bilden konnten/können -- es ist der sozialrevolutionäre alltag in den stadtteilen und es kann schon heute geschehen indem wir zeigen, was möglich ist und was anarchismus bedeutet--- selbstorganisiert und selbstbestimmt in möglichst vielen bereichen
lassen wir die falsche verherrlichungen der "revoltionären hostorie" es gab sie -als hoffnung aber auch als kritkwürdiger erfahrung --- die "crimethicer" mögen mittelklassekids sein --- interesiiert mich nur dann, wenn sie an den kämpfen teilnehmen und anderen auf die nerven gehen
mayrajoffe
Es ist interessant, dass immer wieder die gleichen Argumente und Fehler gemacht werden, egal wo und zu welcher Zeit. Und ich will jetzt überhaupt nicht arrogant rüberkommen, nur einfach aufzeigen, dass es so ist und dass ich es interessant finde, auch wenn ich es nicht verstehen kann.
Wir leben in einer kapitalistischen Welt, leider. Um zu Geld zu kommen, müssen wir arbeiten oder, wenn wir den Mut dazu haben, stehlen. Und um in dieser Welt halbwegs leben zu können brauchen wir Geld, selbst jene, die versuchen so weit wie möglich nach Crimethinc zu leben, müssen dies einsehen, ab und zu arbeiten zu müssen, um über die Runden zu kommen (oder sich einen Flug leisten zu können, ab und zu ein Zugticket in Regionen, wo Autostoppen unmöglich ist oder fürs campen bezahlen zu müssen, wo Wildcampen zu gefährlich ist, was auch immer).
Jene Sichtweise, dass jede Form von Arbeit schlecht ist, ist mit der funktionierenden Organisation einer nicht-kapitalistischen/anarchistischen Gesellschaft nicht vereinbar. Da wird es dann zwar keine Zwangsarbeit oder Lohnarbeit mehr geben, jene Arbeit, die wir nur machen, um Geld zu verdienen und die uns das Leben schwer macht und uns außerdem minderwertig fühlen lässt. Aber andere Arbeit, die zum Aufrechterhalten der Gesellschaft notwendig ist, wird auch weiterhin gemacht werden müssen, aber freiwillig und kollektiv, das ist der gravierende Unterschied! Solch eine Arbeit wird dann nicht mehr als Zwang wahrgenommen. Jede/r kann machen was er/sie will und am besten kann: „Von jeder nach ihrer Fähigkeit zu jeder nach ihrer Notwendigkeit“. Ohne Arbeit in dieser Hinsicht wird auch eine egalitäre und alternative Welt nicht funktionieren können. Sonst werden wir bald verhungern. Wohlgemerkt, was wir Anarcho-KommunistInnen darunter verstehen, ist dann etwas ganz anderes als Lohnarbeit, weil sie uns glücklich macht, wenn wir zum Wohl der Gemeinschaft beitragen und die Früchte unserer Arbeit sehen können. Es ist keine Zwangsarbeit, wie immer wieder von jenen unfair behauptet wird, die anscheinend nicht ganz verstehen, was damit gemeint ist und überhaupt gerne voreilige Schlüsse ziehen und andere gerne abstempeln, am besten im Internet, wo eine scheinbare Anonymität herrscht.
Mal ganz ehrlich, wirst du (du als „der typische Crimethincer“ zu verstehen und nicht als persönlicher Angriff, ich greife keine AnarchistInnen an) nicht depressiv, wenn du den ganzen Tag zuhause rumsitzt? Ok, du gehst wahrscheinlich raus und stiehlst ab und zu, um einen Kick zu bekommen und denkst dann, dass du so die Welt veränderst. Ich jedenfalls würde glauben, dass ich ein sinnloses Leben führe. Hingegen bin ich der glücklichste Mensch, wenn ich anderen Menschen helfen kann. Aber wahrscheinlich hab ich die sogenannte „soziale Ader“ und bin nicht eine egoistische Individualistin (ja, Individualisten sind meiner Meinung nach egoistisch, weil sie sich nur um sich selbst und nicht um den Rest der Welt kümmern, Prinzip des Amerikanischen Traums, ich will gewinnen, koste es was es wolle).
Ich werde meine Kinder jedenfalls sicher nicht aus einem Mülleimer ernähren, auch wenn ich mich als sehr alternativ und radikal bezeichne. Zum würgen ist hier wohl eher der Gedanke, Müll zu essen.
Ja, Anarchismus bedeutet selbstbestimmt zu leben. Anarchismus bedeutet aber nicht, aus Mülleimern zu leben, sondern die Gesellschaft so zu verändern, dass niemand mehr aus Mülleimern leben muss. Und Crimethincer wollen nichts verändern, sondern einfach nur so weiterleben. Fragt sich nur, wie viele Jahre ihres Lebens sie es aushalten, in einer anscheinend coolen Lebensweise zu leben, bevor sie dann, ihrem Motto gerecht, ein liberales egozentrisches Leben weiterführen, auf Kosten anderer. Ein riesiger Teil der Weltbevölkerung findet diese Lebensweise, Abfall zu essen, die sie zwanghaft leben müssen, nicht cool.
Crimethinc macht potenzielle RevolutionärInnen zu passiven AbfallkonsumentInnen oder Kleinkriminellen, die am Rande des kapitalistischen Systems leben müssen (ohne dem es ja keinen Abfall oder Geschäfte geben würde) und es deshalb gar nicht verändern wollen (sonst gäbe es ja deren Lebensunterhalt nicht mehr).
Organisiert ist an Crimethinc genau gar nichts. Ihr Motto „Shoplifters of the world unite“ ist so was von lächerlich, ich frage mich wirklich, wie Ladendiebe eine Welt organisieren wollen, die dann ohne sie auskommen muss (gerade weil stehlen dann unsozial wäre). Hingegen wendet sich Crimethinc explizit gegen jene ArbeiterInnen, die am besten für eine Revolution organisiert werden könnten, da sie in zentralen Bereichen der Industrie arbeiten (Transportwesen, Kommunikation, Nahrungsmittelproduktion etc). „Workers of the world unite!“ ist immer noch die einzige Möglichkeit die Welt zu verändern. Und mit workers sind hier alle gemeint, die einen Chef haben und auch jene, die arbeitslos sind (als Konsequenz des kapitalistischen Systems, um Löhne niedrig zu halten).
Also, zusammengefasst, Crimethinc für sich selbst zu leben ist gut und recht, solange es sie glücklich macht und sie nicht unschuldige Menschen mit ihrer Kleinkriminalität in den Ruin treiben. Sie können das tun, aber sie sollen bitte aufhören zu behaupten, dass sie (und nur sie) in irgendeiner Weise die Welt verändern. Und vor allem sollen sie nicht jene Menschen kritisieren, die ernsthaft und aktiv für eine bessere Welt ohne Chef und Staat kämpfen, nämlich jene, die ArbeiterInnen organisieren und weiterbilden.
Selbstbestimmt zu leben ist essentiell, damit wir wissen, wofür wir kämpfen und damit wir nicht immer nur für die Zukunft leben. Allerdings ist selbstbestimmtes Leben innerhalb eines kapitalistischen Systems nicht wirklich und nie in allen Bereichen möglich. Und nur für sich selbst autonom zu leben ist individualistisch, weil der Rest der Welt immer noch leidet. Wir müssen die ganze Welt verändern und uns unsere ganze Selbstbestimmung zurückholen!
Ich hab auch nichts gegen Mittelklasse Kids (der Großteil der Menschen in der „Ersten Welt“ ohnehin, mich inkludiert), solange sie ihr Privileg nützen und für eine bessere Welt kämpfen und nicht nur sinnlos konsumieren. Niemand kann etwas dafür, in welchen Verhältnissen auch immer geboren zu werden. Aber jede/r kann etwas dafür, wenn er/sie diese Verhältnisse nicht verändert oder sogar aufrecht erhält.
Außerdem lebt Crimethinc all jene Klischees, die in den Medien immer gegen AnarchistInnen verwendet werden: sie sind eine unorganisierte Gruppe von IndividualistInnen, die chaotisch und kriminell sind und in Black Blocs Scheiben einschlagen, was überhaupt nichts bringt und nur die gesamte anarchistische Bewegung in Verruf bringt. Crimethinc schadet also mehr als es bringt und deshalb kann es als eine gefährliche, unsoziale Bewegung (sofern IndividualistInnen eine Bewegung gründen können) betrachtet werden.
Für einen sozialen, egalitären und organisierten Anarchismus!
...wer auch immer hinter diesem text steckt, ist ein gutes beispiel für die sorte anarchist_innen, wegen derer ich mir selbst dieses label nicht ankleben mag. die schlechte polemik des textes erinnert mich an dkp-funkionär_innen, die 68 in einen industriebetrieb gegangen sind, um die arbeiterklasse für die revolution zu gewinnen und bis heute nicht begriffen haben, dass sie auf dem holzweg sind.
crimethinc. hat in den letzten zehn jahren mehr für den anarchismus getan und erreicht als irgendetwas sonst seit anfang der siebziger. überall unter den organisierten anarchist:innen herrscht vereinsmeierei und blindheit gegenüber der realität. zwei fehler, die quasi omnipräsent sind:
1. das festhalten am klassenkampf. diese idee ist so 19. jahrhundert und fast so überholt wie nationalismus. die arbeiterklasse ist nicht revolutionär und war es auch nie mehr als zum einem gewissen teil. in argentienen haben sie peron gewählt. in deutschland hitler. in sonstwo andere henker. spätestens das entstehen einer breiten mittelschicht hat den klassendualismus obsolet gemacht. dieses denken in dualismen ist ohnehin ein gängiger fehler...
2. es wird sich immer und immer wieder auf denker_innen und theorien bezogen, die schon hundert jahre oder mehr auf dem buckel haben. jede wette, dass kropotkin, bakunin und co. heute zu ganz, ganz anderen schlüssen kommen würden. nieder mit der schriftgläubigkeit! es geht um das leben nicht um gekritzel!
es ist wahr, dass crimethinc. ihre ideen ziemlich was zusammengeklaubt haben. situationismus, punk, dada, 68. alles dabei. teilweise sogar sachen, die nicht hätten sein müssen. sicher. aber sie schaffen es anarchie und anarchismus wieder zu etwas greifbarem zu machen. ihr, liebe organisierte anarchist_innen, mögt ja vielleicht noch visionen haben. die mehrheit der menschen hat sie nicht. der kapitalismus beraubt uns unserer vorstellungskraft. fragt mal unter heutigen jugendlichen herum, ob sie denken, dass es eine alternative zum kapitalismus gibt oder geben könnte. ihr werdet heulen! crimethinc. mag schwächen haben, was die theorie angeht. aber, ABER, ihr habt sie in der praxis. ihr seid furztrocken und stinklangweilig. zumindest für die meisten menschen, die eigentlich vom anarchismus begeistert sein sollten...
ich lebe zur zeit in einer großstadt in südamerika. hier besetzen junge menschen häuser und versuchen auch ihre nachbarn zu radikalisieren, indem sie sie zu sich einladen und infoveranstaltungen machen. kropotkin und bakunin kenen sie auch. vom namen. aber ihre inspiration haben sie nahezu ohne ausnahme von hardcore/punk und crimethinc. bekommen.
vergesst niemals das berühmte emma goldmann zitat mit dem tanzen und der revolution. crimethinc. ist tanzbar. ihr seid ein hörbuch. das ist okay, ich liebe hörbücher! aber euch hört nur, wer euch schon kennt. crimethinc. hat eine außen- und breitenwirkung, die ihr leider nicht habt.
ihr müsst ja nicht aus mülltonnen essen (auch wenn daran wirklich nichts schlechtes ist) und ihr müsst auch nicht im park ficken, aber vielleicht solltet ihr überlegen ob die von crimethinc. wieder aufgewärmten konzepte von situationismus und kommunikationsguerilla nicht doch für euch ein paar gute ideen fürs marketing haben.
und natürlich muss mensch auch als crimethincer mal arbeiten. klauen gehen ist ja auch irgendwo arbeit. ich verdiene auch hin und wieder geld. mein mitbewohner lebt von der siebdruckerei. aber ich weiss wirklich keinen einzigen grund, warum ich das mehr als unbedingt notwendig machen sollte. ihr etwa? nichts anderes sagt crimethinc.
entschuldigt das durcheinander. es ist hier mitten in der nacht und ohne kaffee wäre ich schon längst in lummerland. ich persönlich habe crimethinc. durch ein buch in der plattenkiste einer skandinavischen hardcoreband auf deren konzert in einer kleinstadt meiner heimatkleinstadt kennengelernt und es hat mein leben verändert! da bin ich sicher nicht der/die einzige!
"revolution ist ein prozess, der bei uns selbst beginnt." (porky pig)
Ich kenne mich zwar nicht besonders mit anarchistischen Ideen aus( würde mich selbst aber als anarchist bezeichnen), aber es ist doch nutzlos, wenn sich die ganze anarchistische szene, bewegung wie auch immer, auf ein durchgeplantes konzept versteifen muss. mein verständnis von anarchie ist, dass es unzählige möglichkeiten gibt, leben zu gestalten, und die sind gleichberechtigt. also sollte sich, meiner meinung nach, die anarchistische bewegung, szene nicht in diskussionen untereinander aufreiben, sondern jeder sollte seine vorstellung mit gleichgesinnten leben und weiterverbreiten.
ANARCHIE IST KEINE IDEOLOGIE!
im voraus: auch ich bin nicht ein grosser fan von crimethinc, kenne es eigentlich auch nicht gut. aber eure ablehnung gewisser dinge verwirrt micht schon.
was wollt ihr? anarchisten/innen waren auch während dem spanischen bürgerkrieg keine braven proletarier, sie waren grossteils tagelöhner. Prekariat. auch die "grossen" anarchistinnen, denen ihr ja anscheinend noch so bedeutung für 150 jahre später geben müsst, haben sich schon immer mit dem lumpenproletariat solidarisiert. ihr stilisiert hier eine arbeiterinnenklasse, doch, es geht hier ja genua um die (selbst) auflösung der gleichen.
ich will meine arbeitskraft so wenig wie möglich verkaufen (was nicht heisst das ich keine produktiven tätigkeiten ausüben will), und ja, wenn's geht auch gar nicht. und, ich will das auch jedem anderen gönnen, will auch jeden anderen bei einer verweigerung unterstützen. denn, vielleicht, wenn es genug sind, die sich verweigern, dann wird der kapitalismus auch reagieren, sie werden uns angreifen, und genau an diesem punkt setzt irgendwo die revolution an. nicht an dem punkt das millionen von arbeiterinnen stinknormal leben, und plötzlich eines tages den kapitalismus stürzen. vor der revlution gibt es viele kleine revolutionen, die sich gegen das system richten, sich dem system entziehen, um erst gegen das system vorgehen zu können. wenn es vor der revolution keine basis gibt, die ohne kapitalismus überlebensfähig ist, wird es sie auch nachher nicht geben. ich will nicht die kapitalistischen, menschenfeindlichen fabriken übernehmen, ich will selber fabriken bauen, die angenehm sind. vielleicht auch keine fabriken. vielleicht leb ich von einem gemüsegarten. wer weiss, es soll offen sein.
ich denke, ein aussteigen ist die realistischste perspektive. ich will möglichst wenig am kapitalismus teilhaben, ich will in weg, und das ist eben auch verweigerung. wenn du den kapitalismus bekämpfst, aber jeden tag in den mac, supermarkt oder so fährst, dann läuft irgendetwas falsch. du steigst ja schön in den kapitalistischen kreislauf ein, und kaufst seine auf sklaverei und unterdrückung basierten produkte. du bist, was du sein sollst (in unserer "westlichen" gesellschaft) nämlich ein konsument.
genau da setzt auch das containern an. das "müll" essen. ihr stellt euch das komplett falsch vor. das, was man hinter den supermärkten findet ist noch absolut brauchbare ware, in makellosem zustand und grossen mengen. wenn du nun die wahl hast, aus den supermarkt etc zu unterstützen, und dafür auch noch zu arbeiten, oder aus dem kapitalistischen verwertungsprozess ausgeschiedene ware zu benutzen, sogar ohne irgendwelche gesundheitlichen einbusse, dann frage ich mîch. naja. klauen genauso. eine enteignung, wenn auch in winzigem rahmen. ersetzt natürlich überhaupt nicht restliche politische praxis, aber es kann ein guter teil davon werden.
Das bemerkenswerteste an der ganzen CrimethInc- Rezeption ist meines Erachtens etwas, was wirklich überhaupt nicht aufgefallen zu sein scheint....
so wird sich in "Days of War, Nights of Love" seitens der Verfasser_innen auf diverse historische Vorbilder berufen, und unter diesen taucht ein vermeintlicher "short-lived anarchist state (sic!) in fiume" auf, dem eine ganze Seite gewidmet wird.
Dahinter verbirgt sich die "Reggenza Italiana del Carnaro", ein 1920 von Gabriele D'Annunzio mithilfe ehemaliger Sturmtruppen des 1.Weltkriegs (den Arditi) konstituertes politisches Gebilde im Gebiet des heute in Kroatien liegenden Rijeka, das wegweisend für die Entstehung der faschistischen Bewegung in Italien war- ein erstes soziales Experiment sozusagen. Die zugrundeliegende Doktrin war eine heute krude erscheinende Mischung aus Ästhetizismus, Republikanismus, Ultranationalismus mit anarchistischen und (national-) syndikalistischen Versatzstücken, welche sich in der von D'Annunzio und Alceste de Ambris verfassten "Carta del Carnaro" niederschlug. Die Übernahme der Schwarzen Fahne durch die Faschisten hat hier ihren Ursprung.
Alceste de Ambris war ein ehemaliger revolutionärer Syndikalist, der sich 1914 mit zahlreichen Anhängern aus der USI (Unione Sindicale Italiana) in das sogenannte "linksinterventionistische" Spektrum verabschiedete, um dort die "Fasci d'Azione rivoluzionario internazionalista" zu gründen. Die Linksinterventionisten wiederum waren eine Stömung, die sich für den Eintritt der "proletarischen Nation" (ein Begriff, den Nationalbolschewisten und Querfrontler ein Jahrzehnt später in Deutschland ebenfalls gebrauchten) Italien in den 1.Weltkrieg einsetzten, um den als reaktionär begriffenen Mittelmächten Paroli zu bieten. Ein anderer, herausragender Protagonist dieser Bewegung war der ehemalige Sozialist Mussolini. Die Linksinterventionisten, die ihr revolutionäres Subjekt vom Proletariat zur Nation verschoben, wurden zum Kern der späteren faschistischen Bewegung. Den Resten dieser Stömung entledigte sich die Faschistische Partei (PNF) erst 1936 , als der "linksintellektuelle" Flügel weitgehend ausgeschlossen wurde, weil er den Eintritt Italiens in den spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik (!) gefordert hatte.
Ich möchte hier nicht weiter auf historische Details bzw. Zusammenhänge eingehen, zumal diese an anderer Stelle schon sehr weitgehend behandelt wurden, z.B. in "Die Entstehung der Faschistischen Ideologie- von Sorel zu Mussolini" von Zeev Sternhell.
Es erscheint mir nur erstaunlich, daß das CrimethInc- Kollektiv dermaßen tief ins Klo greifen konnte, ohne daß es überhaupt je irgendeine_r gemerkt zu haben scheint.
Na, wenn es nur bei diesem Beispiel bliebe, es könnte ja einfach ein Mißgeschick naiv-idealistischer Mittelstandskids sein....
Die vitalistische Haltung des Buches (a la "resistance is fertile") ebenso wie die Glorifizierung von Mythenbildung und antimodernistischem erinnern mich stark an Sorel, den syndikalistischen Vordenker Mussolinis.
Auch die ständigen Zitate aus "Fight Club" erscheinen mir - gelinde gesagt- ziemlich fragwürdig, denn die Verfilmung des Buches von Chuck Palahniuk (bezeichnet sich selbst als Anarchist) wurde von dem Filmkritiker Roger Ebert nicht zu unrecht als "fascist big-star movie" bezeichnet.
Denn dieser Film beinhaltet vieles von dem, was die Differenz zwischen traditionellen Rechten und Faschisten ausmacht: die bedingungslose Unterwerfung des Einzelnen unter eine Sache als Prinzip an sich ; der daraus resultierende Totenkult, der aus den Namenlosen (De-Individualisierten), für die Sache gestorbenen Massenmenschen Märtyrer macht ( sozusagen das Horst- Wessel-Syndrom); die Ablehnung der Konsumgesellschaft als degeneriert und verkommen sowie das Entgegenhalten eines Bildes von "Authentizität", das sich am Ende ausagiert in ritualisierter Gewalt; die Wiederherstellung intakter Männlichkeit durch eben diese Gewalt; die daraus resultierende Erneuerung der Gesellschaft.... nicht zuletzt der vordergründige, primitive Antikapitalismus, der mit dem Finanzsystem (=raffendes Kapital) abrechnen will.
Im Nachhinein finde ich es erschreckend, wie viele ansonsten reflektierte Weggefährt_innen aus der D.I.Y.- Szene diesen Scheiß abgefeiert haben (sowohl CrimethInc als auch "Fight Club")
Es ist nicht so, daß ich CrimethInc einen Faschismusvorwurf machen will, aber diese Leute hantieren mit faschistoiden Aussagen und Denkmustern, ohne den geringsten Schimmer zu haben, was sie da machen.
Das hat natürlich mit echtem Anarchismus nicht viel zu tun. Aber es stellt sich dann die Frage, was in Abgrenzung dazu "echter" Anarchismus wäre.... CrimethInc gehört jedenfalls wohl nicht dazu.
zum größten teil kann ich die kritik an diesen lifestyle anarchos zustimmen. vor allem was szenegesumpfe und so angeht.
aber leider verallgemeinerst du doch teilweise stark.
die hetze gegen arbeitsunwillige die auf kosten der hart arbeitenden bevölkerung leben hat doch eher
fdp niveau. um es mal auf deutschland zu begrenzen. hier gibts rund 10 millionen abeitslose.
aber soviele arbeitstellen gibt es nicht für diese. damit hätte sich dieser punkt schonmal erledigt.
wieso soll man dann ausser für sich mehr zu haben arbeiten gehen? (wer bock drauf hat meinetwegen)
aber beschweren sollte man sich dann lieber über andere sachen die steuern kosten. (rüstung, kirche, ...)
eine gesundes maß an verweigerungshaltung sollte man sich als anarchist auch noch bewaren dürfen.
nur weil es dieses scheiss system gibt hab ich kein bock auf ne 40 stunden woche. zudem ich dann kaum noch die energie hätte irgendwie politisch aktiv zu sein.
zum veganismus. bei einigen hat es sicher mit einer verzichtsmoral zu tun. genauso wie das containern, ...
aber bei den meisten geht es ganz einfach darum dass wir tierquälerei scheisse finden. nicht mehr und nicht weniger. unser mitgefühl hört halt nicht bei der arbeiterklasse auf.
zu diy in bezug auf musik. wir haben ganz einfach keine andere möglichkeit. das ist nicht antikapitalistisch und das bilden wir uns auch nicht ein.
Bei aller - sinnvollen und angebrachten Kritik an Crimethinc - bin ich der Meinung, dass die Revolution im täglichen Lebensstil der beste Weg in eine post-revolutionäre Welt ist.
Jede spontane Revolution, jede Hauruckaktion, jeder Putsch bringt immer neue, extrem dynamische Machtverhältnisse hervor, die sofort vom weiteren Verhalten der neuen Machtbeteiligten ist. Der Großteil der Bevölkerung hat bei jeder schnellen politischen Wende weder was zu sagen, noch bekommt er wirklich mit, was passiert.
Als Faustregel gilt: In ruhigen Zeiten neigt die Macht dazu, sich zu zentralisieren, in extremen Zeiten besteht die Chance, die Verhältnisse radikal zu ändern.
Beides hilft uns nicht weiter. Wir wollen eine bessere Welt für alle schaffen und wir sollten uns davon verabschieden, dass jemand nur die finale Vision dieser Welt mal eben hat, und man diese dann - zack-feddich - per Revolution umsetzt. Jeder kann das überprüfen anhand von Ticks und Macken, die er versucht sich abzugewöhnen. Wenn es so leicht wäre, dann hätten wir kein Problem.
Deshalb denke ich, dass der gedankliche Ansatz von Crimethinc sehr gut ist, auch wenn er - mit Aufruf zu Kriminalität und Verherrlichung des dropping out usw. - bescheiden kommuniziert wird.
Die alte chinesische Weise bringt es immer wieder auf den Punkt, oder Ghandi, Jesus, Bhudda:
sie alle haben leicht abgewandelt gesagt: be the change you want to see --> echte Veränderung kann es nur durch eine Veränderung der inneren Einstellung, des eigenen Handelns geben.
Nehmen wir einmal an, dass ist wahr und richtig.
Wie entsteht die Welt in der wir Leben? Sie entsteht nicht durch Konzerne, oder Manager oder sonst was. Sie entsteht durch die Summe aller unserer täglichen, ja sogar unserer momentanen Handlungen. Das definiert Realität. Also kann nur eine Veränderung unseres täglichen Handelns die Realität in der wir leben beeinflussen. Vieles kann man sogar sehr einfach nicht durch mehr oder verändertes Tun, sondern durch Nicht-Tun, durch unterlassen erreichen.
Dir gefällt Massentierhaltung nicht? Dann ernähre dich vegetarisch.
Du bist gegen Monsanto, Gen-Produkte usw.? Dann geh in den Bioladen.
Du möchtest mehr Gemeinschaft und weniger Medienfixierung? Dann geh raus und sprich die Menschen direkt an.
Wir treffen jeden Tag tausende solcher Entscheidungen, ohne uns dessen Bewusst zu sein.
Ich denke, dass dieser Gedanke vielen esoterisch vorkommen mag. Trotzdem sollte man sich eines klar machen:
Was können wir wirklich beeinflussen? Andere Menschen? Oder uns selbst?
Und möchten wir in einer Welt leben, die nur dadurch besser ist, weil wir unsere Vision einer besseren Welt durchgesetzt haben?
Vielleicht sollten wir alle daran arbeiten, die Menschen auf die Macht die sie über ihr eigenes Leben haben aufmerksam zu machen.
Wenn ca. 20% der Weltbevölkerung von einem selbstbestimmten und nachhaltigen Lebensstil überzeugt sind und diesen auch selbst leben, dann wird ein Dominoeffekt einsetzen.
Macht ist eine Illusion, der Glaube an Macht konstituiert Macht. Wer also meint, Konzerne hätten Macht über sein Leben, der gibt Konzernen damit Macht über sein Leben.
Am Anfang ist die Entscheidung: Wer bestimmt mein Leben?
Und deswegen beginnt Selbstbestimmtheit da, wo auch die Revolution beginnt: im eigenen Herzen, im eigenen Kopf.