user preferences

Search author name words: Wayne

Was ist Anarcho-Kommunismus? Teil 2

category international | die linke | meinung / analyse author Tuesday November 25, 2008 14:56author by Wayne Price - NEFAC (Personal opinion)author email drwdprice at aol dot com Report this post to the editors

Es geht nicht um die Bezeichnung, sondern um den Inhalt

Wir haben das industrielle Potenzial zu vollständigen Kommunismus, aber es gibt nach wie vor Schwierigkeiten, wie zum Beispiel die Notwendigkeit Technologie zu reorganisieren und die so genannte "Dritte Welt" entsprechend zu industrialisieren. Dies wirft die Frage der Notwendigkeit einer Art Phasengleichheit des Kommunismus auf.

Teil 1: die widersprüchlichen Bedeutungen von Kommunismus

Es geht nicht um die Bezeichnung, sondern um den Inhalt

Wir haben das industrielle Potenzial zu vollständigen Kommunismus, aber es gibt nach wie vor Schwierigkeiten, wie zum Beispiel die Notwendigkeit Technologie zu reorganisieren und die so genannte "Dritte Welt" entsprechend zu industrialisieren. Dies wirft die Frage der Notwendigkeit einer Art Phasengleichheit des Kommunismus auf.

Im Laufe des Jahrhunderts seitdem Kropotkin und Marx über Kommunismus geschrieben haben, gab es eine enorme Steigerung der Produktivität. Jahrtausende lang mussten zwischen 95 und 98% der Menschheit in die Herstellung von Lebensmitteln miteinbezogen werden. Heute sind die Verhältnisse umgekehrt, in den Vereinigten Staaten arbeiten nur 2 bis 3% in der Landwirtschaft. Es wird argumentiert, dass wir mit den automatisierten Fabriken ein bequemes Leben für alle produzieren könnten. Mehr Menschen würden freiwillig arbeiten als es nötigwendige Arbeitsplätze gäbe. Eine industrialisierte und kooperative, demokratisch geplante Wirtschaft könnte viel Freizeit für alle bieten. Dies ist von wesentlicher Bedeutung für jede Gesellschaft, die auf der Grundlage einer Basisdemokratie basiert. In allen bisherigen Revolutionen gingen die Massen wieder zu ihrem Alltag zurück, sobald die Umwälzungen vorbei waren, während nur wenige die Zeit hatten, die Dinge am Laufen zu halten. Wenn alle Freizeit hätten, dann wären alle frei, ihre Gemeinden, Baustellen, und die Gesellschaft als Ganzes selbst zu verwalten.


Kurzum, es gibt alle technologischen Voraussetzungen für vollständigen, libertären, Kommunismus, was Marx als die "höhere Phase des Kommunismus" bezeichnete. Deshalb argumentierten einige, dass es möglich ist, sofort zum vollständigen Kommunismus überzugehen, sobald die sozialen und politischen Bedingungen erfüllt seien. Ich allerdings glaube nicht, dass dies wahr ist.

Erstens ist die produktive Technologie, die wir haben, eine Technologie, die aus dem Kapitalismus für den Kapitalismus entstanden ist. Sie ist nur "produktiv" im Hinblick auf die Erreichung der kapitalistischen Ziele, das heißt, auf die Akkumulation von Kapital. Mit anderen Worten, sie ist enorm verschwenderisch und zerstörerisch, verschmutzt die Umwelt, rottet natürliche Arten aus, verbraucht nicht-erneuerbare Ressourcen, lagert nukleare Bomben und verursacht globale Erwärmung. In menschlicher Hinsicht wurde sie bewusst entwickelt, um ArbeiterInnen zu unterdrücken, uns vom Denken abzuhalten und soziale Hierarchien aufrecht zu erhalten. Nach einer Revolution würden die ArbeiterInnen diese industrielle Technologie völlig zu überholen beginnen, sie nachhaltig zu machen und die Trennung zwischen Auftrag-GeberInnen und Auftrag-NehmerInnen zu beenden. Wir würden eine neue Technologie entwickeln, welche "produktiv" menschliche Kreativität und ökologische Harmonie fördert.

Die Notwendigkeit einer verstärkten weltweiten Produktion

Auch wenn Nordamerika, Westeuropa, Japan und einige andere Orte viel moderne Technologien haben, trifft dies nicht auf den Großteil der Welt zu. Die so genannte Dritte Welt ist zur Zeit unterindustrialisiert oder ungleichmäßig industrialisiert. Diese verarmten und ausgebeuteten Länder verfügen nicht über den notwendigen Reichtum oder die Industrie, um auch nur die untere Phase des Kommunismus (von Lenin als die Phase des Sozialismus bezeichnet) zu erreichen, geschweige denn vollständigen Kommunismus. Die ArbeiterInnen und Bauern/Bäurinnen sind in der Lage, in ihren Ländern an die Macht zu gelangen und ein System von Betriebsräten und Volksversammlungen einzuführen. Um ihren Weg zum Kommunismus jedoch zu festigen, müssten sie Revolutionen in den industrialisierten, imperialistischen Nationen entfachen, damit sie Hilfe erhalten.

Ich stimme einigen RätekommunistInnen und anderen MarxistInnen nicht zu, wenn sie behaupten, dass die unterdrückten Nationen nur bourgeoise Revolutionen beginnen können. Im Gegenteil, die ArbeiterInnen und Bauern/Bäurinnen dieser Staaten können die nationale Bourgeoisie stürzen und danach die Revolution auf die industrialisierten Länder verbreiten, was ihnen helfen wird, sich in Richtung Kommunismus zu entwickeln. Diese Sichtweise ist gegen Stalin's Konzept, Sozialismus in einem Land zu errichten. Es wird viel Hilfe aus den industrialisierten Teilen der Erde erforderlich sein, um Afrika, Asien und Lateinamerika in einer humanen, demokratischen und ökologisch ausgewogenen Weise zu entwickeln.

Wenn also gesagt wird, dass es alle technologischen Voraussetzungen für vollständigen Kommunismus gibt, ist dies sicherlich richtig, aber nur potenziell. Die Menschheit hat das technische Wissen und die Fähigkeiten, die notwendig sind, um eine Welt des Wohlstands aller zu errichten, mit Freizeit für alle, in Harmonie mit der Umwelt, aber es wird viel Arbeit erfordern, diese Welt nach einer Revolution zu erschaffen.


Phasen des Kommunismus

Aus diesen Gründen haben libertäre KommunistInnen den Wechsel zu einer vollständig kommunistischen Gesellschaft oft als einen Prozess präsentiert, der nach der Revolution in Phasen aufgeteilt ist. Marx schlug eine höhere und untere Phase des Kommunismus vor. Bakunin implizierte das gleiche. Sogar Kropotkin schlug eine Art Aufteilung in Phasen zu vollem Kommunismus vor. Unmittelbar nach einer Revolution, deutete Kropotkin an, würden leistungs- und erwerbsfähige Erwachsene einen halben Tag arbeiten (5 Stunden) müssen, um eine ausreichende Menge von Nahrung, Kleidung und Obdach zu erhalten. Die meisten Güter würden immer noch knapp sein und müssten von der Gemeinde rationiert werden. Im Laufe der Zeit, in der sich die Produktivität verbessert, würde sich die Wirtschaft zu vollständigem Kommunismus entwickeln. Die meisten Güter wären in ausreichender Zahl verfügbar und die Menschen könnten sich diese frei aus den Regalen des Gemeindelagers nehmen. Arbeit würde aufgrund des sozialen Gewissens getan werden und dem Wunsch, aktiv zu bleiben. Aber das wäre nicht sofort möglich.


Es gibt einen weiteren Faktor. Eine Revolution wird wahrscheinlich durch eine vereinigte Front anti-kapitalistischer politischer Gruppierungen ausgeführt werden. Nordamerika oder Europa, zum Beispiel, sind so groß und komplex, dass keine einzelne revolutionäre Organisation alle besten Ideen und alle besten AktivistInnen haben wird. Sie werden zusammen arbeiten müssen. Einige werden Anarcho-KommunistInnen sein, andere nicht. Abgesehen von durch und durch autoritären StaatskommunistInnen, werden wir wahrscheinlich in einer Koalition mit anderen, nicht kommunistischen AnarchistInnen, revolutionär-demokratischen SozialistInnen, verschiedenen Arten von Grünen und so weiter sein. Wir können nicht alle diese Menschen dazu zwingen, unter anarchistischem Kommunismus zu leben. Obligatorischer libertärer Kommunismus ist ein Widerspruch in sich! Die Mehrheit einer Region kann sich entscheiden, unter anarchistischem Kommunismus zu leben, während eine benachbarte Region beschließt, nach Prinzipien von Parecon ("partizipativer Ökonomie") zu leben. So lange ArbeiterInnen nicht ausgebeutet werden, werden die Anarcho-KommunistInnen keinen Bürgerkrieg innerhalb der Revolution starten. In einer experimentellen Art und Weise, können verschiedene Ansätze in verschiedenen Regionen ausprobiert werden, und wir werden voneinander lernen.

Malatesta (1984) schrieb, "Auferlegter Kommunismus wäre die am meisten verabscheuungswürdige Tyrannei, die der menschliche Verstand begreifen könnte. Und freier und freiwillig Kommunismus ist ironisch, wenn man nicht das Recht und die Möglichkeit hat in verschiedenen Regimen zu leben, kollektivistisch, mutualistisch, individualistisch - je nachdem wie man es sich wünscht, immer unter der Bedingung, dass es keine Unterdrückung oder Ausbeutung anderer gibt"(S. 103 ). Er erwartete, dass eine Art von anarchistischem Kommunismus schlussendlich gewinnen würde, aber war der Ansicht, dass die Erreichung dessen überall möglicherweise einige Zeit in Anspruch nehmen würde.



Sollen wir uns KommunistInnen nennen?

Aufgrund von moderner Technik ist anarchistischer Kommunismus ein praktisches Ziel, unabhängig davon, ob wir durch verschiedene Phasen oder Kompromisse müssen. Dies beantwortet jedoch nicht die Frage: Sollen wir uns KommunistInnen nennen? Immerhin sind wir ja GegnerInnen jedes kommunistischen Staates, der besteht oder bestanden hat, und jeder Kommunistischen Partei. Dennoch können wir uns nicht Anti-KommunistInnen nennen, da dies in der Regel die Unterstützung des westlichen Imperialismus bedeutet, dessen (bestenfalls) begrenzter Demokratie, und dessen Herrschaft einer Minderheitsklasse. Wir sind gegen die Herrschaft dieser Klasse, viel mehr noch als die kommunistischen Parteien. Aber wir unterstützen die Ziele von Kropotkin und Karl Marx einer klassenlosen, staatenlosen Gesellschaft, welche nach dem Prinzip " Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" organisiert ist. In diesem Sinne sind wir wirklich authentische KommunistInnen. 

Der Mainstream des historischen Anarchismus war anarchistischer Kommunismus. Wir können, und ich glaube wir sollten, uns mit der kommunistischen Tradition des Anarchismus identifizieren, die von Bakunin (als Ziel) zu Kropotkin (als Bezeichnung), zu Malatesta, Goldman und fast allen AnarchistInnen ihrer Zeit reicht. Es gab Konflikte zwischen jenen AnarchistInnen, die sich selbst Anarcho-KommunistInnen nannten und jenen, die sich selbst Anarcho-Syndikalisten nannten, aber sie hatten keine Unterschiede in ihren Prinzipien. Die Anarcho-KommunistInnen hatten Angst, dass die Anarcho-SyndikalistInnen sich in der Gewerkschaftsbewegung ( "Syndikalismus") auflösen würden; die Anarcho-SyndikalistInnen hatten Angst, dass die KommunistInnen die zentrale Bedeutung und Macht der organisierten ArbeiterInnen herunterspielen würden. Allerdings waren sich die Anarcho-KommunistInnen meistens über die Notwendigkeit der Selbstorganisation der ArbeiterInnenklasse einig, vor allem über die Notwendigkeit von Gewerkschaften, während die Anarcho-SyndikalistInnen das Ziel eines libertären Kommunismus teilten.


Unser modernes Einverständnis mit dem historischen Ziel eines anarchistischen Kommunismus getrieben von der ArbeiterInnenklasse sollte mit Sicherheit in unseren Dokumenten und Programmen angeführt werden. Aber sollte es noch mehr in unseren Prospekten und im Namen unserer Organisationen erwähnt werden? 


Meine Antwort ist: es kommt darauf an. In einigen Ländern hat das Wort Kommunismus bei den meisten militanten ArbeiterInnen eine positive Konnotation. Dies liegt vor allem an der historischen Selbstaufopferung und dem Kampf von Kommunistischen Parteien, ungeachtet ihrer Schwächen. Offenbar ist dies zum Beispiel in Südafrika der Fall, wo unsere Co-DenkerInnen die Zabalaza Anarcho-Kommunistische Front bildeten. 


Aber in anderen Ländern hat Kommunismus eine sehr negative Konnotation. Dies hat nicht nur mit der negativen bourgeoisen Propaganda, sondern auch mit seiner 75 Jahre langen Identifikation mit der totalitären Realität der Sowjetunion zu tun. Jenes Regime nannte sich kommunistisch, wie auch seine Marionetten und Nachahmer in Osteuropa, China, etc. In anderen Ländern waren die KommunistInnen für ihre sklavenartige Anbetung der UdSSR bekannt, für die starke Herrschaft über ihre AnhängerInnen, und für ihren Reformismus. Aufgrund dessen glaube ich, änderte die Anarcho-Kommunistische Föderation (Anarchist Communist Federation) in Großbritannien ihren Namen zu Anarchistischer Föderation (Anarchist Federation). Das irische Workers Solidarity Movement inkludiert offensichtlich nicht das wort Kommunismus in seinem Namen. Aber der Verzicht auf das Wort Kommunismus in unserem Namen bedeutet nicht unbedingt die kommunistische Tradition aufzugeben.

Ich glaube, dass die Vereinigten Staaten in die zweite Kategorie fallen. Das Wort Kommunismus in unseren Namen zu setzen schafft nur unnötige Barrieren zwischen uns und den meisten US-ArbeiterInnen. Es macht es schwierig uns von staatlichen Tendenzen zu unterscheiden, die sich auch als kommunistisch bezeichnen. Deshalb rate ich davon ab, vor allem falls wir jemals einen Nordamerika-weiten Verband bilden.


Der Begriff "Sozialer Anarchismus" wird üblicherweise unter AnarchistInnen verwendet, um uns von IndividualistInnen und "libertären" UnterstützerInnen des Kapitalismus zu unterscheiden. Ich bevorzuge den Begriff "Sozialistische/r AnarchistIn". Malatesta stimmt zu: "Wir … haben uns immer sozialistische Anarchisten genannt" (S. 143). Sozialist ist ein undeutlicherer Begriff als Kommunist. Für manche bedeutet er Reformismus, weil er viel von SozialdemokratInnen ( "demokratischen SozialistInnen") verwendet wird, sowie von KommunistInnen. Aber zumindest impliziert er nicht totalitären Massenmord, was das eigentliche Problem ist. Die Trotskyisten nannten sich "revolutionäre Sozialisten", um sich von den Stalinisten zu unterscheiden, und nicht-Trotskyisten haben sich auch als revolutionäre Sozialisten bezeichnet. Generationen lang wurde der Begriff "libertäre/r SozialistIn" auch zur Bezeichnung von AnarchistInnen verwendet.


Meinen Vorzug für "sozialistische/r AnarchistIn" und "libertäre/r SozialistIn" über "Anarcho-KommunistIn" ist meine persönliche Meinung, die möglicherweise eine Minderheitsmeinung innerhalb der US-Anarcho-KommunistInnen ist. In jedem Fall ist es nicht eine Frage des Prinzips. Es ist nicht das Etikett, sondern der Inhalt, der am wichtigsten ist. 



Literatur

Malatesta, Errico (1984). Errico Malatesta; His life and ideas (Vernon Richards, ed.). London: Freedom Press.



geschrieben für www.Anarkismo.net. Wayne Price hat vor kurzem sein Buch veröffentlicht: The Abolition of the State: Anarchist & Marxist Perspectives, AuthorHouse.

author by Jon - 1 of Anarkismo Editorial Grouppublication date Tue Nov 25, 2008 15:01author address author phone Report this post to the editors

hier:

Related Link: http://www.anarkismo.net/newswire.php?story_id=7171
 
This page can be viewed in
English Italiano Deutsch
© 2005-2024 Anarkismo.net. Unless otherwise stated by the author, all content is free for non-commercial reuse, reprint, and rebroadcast, on the net and elsewhere. Opinions are those of the contributors and are not necessarily endorsed by Anarkismo.net. [ Disclaimer | Privacy ]